Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Kulturwissenschaft

Drittmittelprojekte

Hier finden Sie eine Liste mit den aktuellen Forschungsprojekten am Institut für Kulturwissenschaft.

Dis-/Abilities – Nicht-/Behinderung und Medien im Kontext der Digitalisierung

Die Entwicklung von technischen Hilfsmitteln und ihre Nutzung durch Menschen mit Behinderung ist ein wichtiges, aber bislang nur punktuell bearbeitetes Feld für die deutschsprachige Medienwissenschaft. Es bietet die Möglichkeit, das Verhältnis von divers fähigen Körpern, Sinneserfahrungen sowie Technologien zu analysieren und dabei Begriffe wie Assistenz, mediale Teilhabe und Kooperation kritisch zu reflektieren. Das Netzwerk hat das Ziel, dieses komplexe Zusammenspiel von Nicht-/Behinderung und digitalen Medien zu kartieren und das Forschungsfeld mit innovativen Analyseansätzen zu bereichern. Über Ansätze der Disability Studies hinausgehend wird die grundlegende Frage aufgeworfen, wie in spezifischen Konstellationen vielfältige Verbindungen von Körper und Technik hergestellt werden. Die Forschungsarbeit der Mitglieder wird eine Vielschichtigkeit von agencies (Handlungsinitiativen) befragen, die sich nicht nur aus menschlichen Körpern, sondern auch aus technischen Apparaten, Prothesen, Algorithmen usw. zusammensetzen. So werden Dis-/Abilities als behindernde und ermöglichende Praktiken zwischen Körpern und Technologien – insbesondere hinsichtlich der Rolle digitaler Vermittlungsinstanzen – ausgelotet. Entlang von Diskursen, Praktiken und Materialität werden die Begriffe agency, Assistenz, Barrierefreiheit (accessibility) und Konzepte sensorischer Erfahrungen bearbeitet, um die Assoziierungen von Körpern und Technologien zu erforschen.

 

Prof. Dr. Robert Stock, Mitverantwortlich: Dr. Christian Meier zu Verl, Universität Konstanz

Gefördert durch DFG, 2020-2023

Weitere Informationen:

https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/439948242

https://dis-abilities-and-digital-media.org/index.php/de/

 

Kulturtechniken der analogen Simulation

Dem Forschungsvorhaben liegt die Idee zugrunde, die Frage nach den Medienkulturen der Computersimulation auf Experimentalsysteme zu übertragen, in denen vor dem Auftreten des Computers als Universalmedium Daten massiv parallel prozessiert wurden. Zentrales Beispiels ist dabei der Windkanal, in dem unterschiedlichste physikalische Modellbildungen simuliert werden. Erforscht werden sollen die Geschichte und Epistemologie v.a. der Anlagen der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt auf dem Standort Berlin/Adlershof als Analogcomputer, in denen sich hydrodynamisches Wissen als Schlieren, Nebelzüge oder Windfähnchen materialisiert.

Die historischen Vorläufer dieser analogen Simulationsmedien im Sinne einer Empirisierung und Formalisierung des technischen Wissens reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Erste empirische Experimente zur Bestimmung und Optimierung der Form von Wasserrädern wurden durch Christopher Polhem um 1700 und John Smeaton um 1760 durchgeführt. Christopher Polhem (Polhammar) gründete 1697 in Schweden die erste Ingenieursschule, das »Laborium mechanicum« in Stockholm und führte aufwendige Testreihen zur Effizienz von Wasserrädern am Modell durch. John Smeaton erhielt 1759 die Copley Medaille für seine hydromechanischen Untersuchungen von Wasser- und Windmühlen. Er simulierte über knapp sieben Jahre hinweg die Physik von unterschiedlichen Typen von Wasserrädern in einem verkleinerten Modellversuch, an dem er 13 verschiedene Parameter ausmessen konnte. Weitere historische Stationen sind Gustave Eiffels Versuche 1905/06 am Eiffelturm oder die Windkanalversuche der Brüder Wright wenige Jahre zuvor, bis Vanevar Bush am 20. September 1940 keinem geringeren als Norbert Wiener vorschlägt, dessen »differential analyser« zum Design von Flugzeugflügeln und Patronenhülsen zu verwenden.

Die grundlegende These des Forschungsvorhabens ist, daß Rechnen und Abbilden innerhalb dieser Simulationen nicht voneinander zu trennen sind, sie finden als gemeinsame Praxis im Experimentalraum des Windkanals statt. Was die weiterführende Frage motiviert, ob und inwiefern in diesen Kulturtechniken der analogen Simulation Dispositive vorgezeichnet sind, die in der digitalen Simulation beispielsweise der Hochenergiephysik wiederbegegnen. Welchen Bildstatus also besitzen die empirischen Evidenzen, die im Windkanal als Form von Selbstschreibungen generiert werden?

Förderung im Rahmen eines Senior Fellowships an der Leuphana Universität Lüneburg im WS 2016/17.

 

Gedankenlesen als Kulturtechnik

Teilprojekt im Rahmen des DFG-Verbundprojekts Gesellschaftliche Innovation durch nichthegemoniale Wissensproduktion. Okkulte Phänomene zwischen Mediengeschichte, Kulturtransfer und Wissenschaft 1770-1970

Das Projekt verwendet archivbasierte historische Methoden, um die Wechselwirkungen zwischen digitalen Medientechnologien und Kulturtechniken des Gedankenlesens zu untersuchen. Der Zeithorizont erstreckt sich dabei von circa 1880, als sich der Begriff des Gedankenlesens innerhalb der Parapsychologie konstituierte, bis in die 1940er und 1950er Jahre, als Wissenschaftler im Zuge von Kybernetik und Künstlicher Intelligenz begannen, Computerprogramme als "Gedankenlesemaschinen" zu schreiben.

Christian Kassung, Laurens Schlicht (DFG, seit August 2015)

 

Hidden Kosmos — Reconstructing A. v. Humboldt's »Kosmos-Lectures«

Digitale Rekonstruktion der »Kosmos-Vorträge« Alexander von Humboldts

Alexander von Humboldts »Kosmos-Vorträge«, gehalten in zwei eigenständigen Zyklen an der Berliner Universität (der heutigen Humboldt-Universität) und der benachbarten Singakademie (das Gebäude beherbergt heute das Maxim Gorki Theater), waren das Berliner Ereignis der Jahre 1827 und 28. Der unbestreitbaren Wichtigkeit dieser Vorträge sowohl für Humboldts Werk, insbesondere mit Blick auf den erst Jahre später erscheinenden »Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung«, als auch für die Wissenschafts- und Kulturgeschichte im Allgemeinen steht eine extrem unsichere Quellenlage zu den Vorträgen selbst gegenüber. Von Besuchern der Vorträge angefertigte Nachschriften, die sich erhalten haben, sind zum größten Teil unveröffentlicht; Humboldts eigenhändige Manuskripte, die den Vorträgen zugrunde lagen, sind bislang in keiner Forschungsarbeit eingehend gewürdigt worden. Vor diesem Hintergrund wird das Projekt »Hidden Kosmos« die Vorträge als Forschungsfeld erstmals erschließen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der digitalen Verfügbarmachung sämtlicher heute bekannter Nachschriften der damaligen Hörer Humboldts.

Christian Kassung, Dominik Erdmann, Marius Hug, Christian Thomas (Humboldt-Universität, Exzellenzinitiative, Förderlinie Freiräume, 2014 bis 2016)

 

Excellenzcluster Bild Wissen Gestaltung

Ein interdisziplinäres Labor

Komplexe Probleme lassen sich nicht in den Grenzen eines einzelnen wissenschaftlichen Fachs lösen. Sie bedürfen des Wissens und der Fähigkeiten von Forscher/innen aus den unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen, die sich in einem Cluster zusammenfinden. Hierdurch sollen im Rückschluss auch die Disziplinen selbst gestärkt und bereichert werden. Das Interdisziplinäre Labor Bild Wissen Gestaltung ist ein solcher Zusammenschluss aus Geistes-, Natur- und Technikwissenschaften, der Medizin und — erstmalig für Grundlagenforschung — auch der Gestaltungsdisziplinen Design und Architektur. Mehr als 25 verschiedene Disziplinen erforschen im Interdisziplinären Labor grundlegende Gestaltungsprozesse der Wissenschaften.

Horst Bredekamp und Wolfgang Schäffner (DFG, seit 2012)

 

Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg


Im Prozess der Modernisierung und der innerjüdischen Haskala (Aufklärung) haben sich die Jüdischen Wissenschaften von der rein theologischen Ausbildung immer weiter in Fächer wie die Philosophie, die Literaturwissenschaften, die Geschichte, die Kunst- und Kulturwissenschaften verlagert. Das Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg steht sowohl für die transdisziplinäre Vernetzung von Jüdischen Studien, als auch für die Förderung des Dialoges in der Forschungslandschaft im Raum Berlin-Brandenburg. Das zentrale Anliegen besteht darin, die Pluralität bereits bestehender Forschung erkennbar zu machen und Synergien zwischen den Forschenden und den Forschungseinrichtungen mit einem breiten Kooperationsangebot zu intensivieren.

Christina von Braun (Bundesministerium für Bildung und Forschung, seit 2012)

 

Histories and Genealogies of Cultural Theories

Teilprojekt im Rahmen des Exzellenzclusters Topoi. The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations

The aim of the research group is the analysis of spatial practices and techniques of space production as well as space organization since antiquity. Taking classical antiquity as a starting point, these spatial practices and techniques are explored with regard to alterations and transformations that gave rise to and resulted in the reorganization and reevaluation of cultural theory. The six research projects of the CSG-II focus on either a corporeal, a social, an agricultural, a metrological or a networked epistemology of space. In doing so, they aim at specific perspectives as well as at a historical synthesis of cultural theories.

Iris Därmann (DFG, seit 2007)

 

Natur/Kultur: Zur Transformationsgeschichte einer mythischen Grenzziehung

Ein Teilprojekt im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 664 Transformationen der Antike

Im Mittelpunkt des Teilprojektes steht die Untersuchung der Transformationsgeschichte der Grenzziehung zwischen Natur und Kultur,  und zwar auf dem Feld der antiken Kulturentstehungsmythen, der politischen Philosophie der Neuzeit und der Wissenschaften vom Menschen (Anthropologie, Psychoanalyse, Ethnologie). Dabei stehen folgende Fragen im Blickpunkt: Wie und unter welchen kulturhistorischen Voraussetzungen werden die antiken Differenzen von Physis und Techne, von Physis und Nomos, in die moderne Leitdifferenz von Natur und Kultur transformiert? Welche Rolle spielt dabei die Reihe jener Gegenbegriffe wie Gesellschaft, Zivilisation, und Geschichte, die dem Teminus Natur im 17. und 18. Jahrhundert regelmäßig zugeordnet wird? Wie wird die Grenze zwischen Natur und Kultur jeweils gezogen und dramatisiert? Mithilfe welcher gewalttätigen Akte, Praktiken, Techniken, Kulturtechniken und Erfindungen vollzieht sich der Übergang von Natur zu Kultur? Welche je besonderen Tiere und welche Mensch-Tier-Beziehungen stehen dabei im Blickfeld?

Iris Därmann (DFG)