Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Kulturwissenschaft

Promotionen

Laufende Promotionen

 

Viola Beckmann

Literatur für ein zerstreutes Volk oder Weltliteratur? Esperantoliteratur und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Sprache und der Gemeinschaft

Seit ihrem Erscheinen 1887 wird in der Plansprache Esperanto gedichtet, erzählt und übersetzt. Ab Oktober 1922 erschien in Budapest Literatura Mondo, die erste Literaturzeitschrift in Esperanto. Im Titel dieser Zeitschrift wird ein transnationaler Literaturbegriff programmatisch, der als Begriff nicht neu ist, jedoch durch die Verwendung einer Nicht-Nationalsprache neu konzeptionalisiert wird.

Die Dissertation analysiert theoretische und essayistische Texte, die zwischen 1922 und 1949 in Literatura Mondo erschienen sind, im Hinblick auf die Frage, inwieweit die Vorstellung einer "Heimat in der Literatur" als einer genuin jüdischen Vorstellung von unterschiedlichen Autoren mit unterschiedlichen Prämissen adaptiert wird.

 

Franziska Homuth

Religiöse Ethik und Geschlecht als Variablen bei der Professionalisierung von Fürsorge und Wohlfahrt. Ein Transatlantischer Vergleich. Bertha Pappenheim und Jane Addams als Professionsgründerinnen in der Fürsorgearbeit

Es soll am Beispiel von zwei Gründerinnen der Sozialen Arbeit gezeigt werden, welchen Einfluss Geschlecht und religiöse Ethik auf die Professionalisierung von Fürsorgearbeit hatten. Dafür werden in einem transatlantischen Vergleich Briefe, Veröffentlichungen und Notizen dieser beiden Protagonistinnen untersucht und den „Echos religiöser Ethik“ in ihren Schriften nachgespürt.

 


Alisa Jachnowitsch

Kulturarbeit als Ausdruck diasporischen Selbstverständnisses. Das Comité Central Israelita de México (1938-1980)

Das Dissertationsprojekt widmet sich dem 1938 gründeten Comité Central Israelita de México, welches als Vermittler zwischen den mexikanischen Judenheiten und der Mehrheitsgesellschaft zu fungieren suchte. Dabei steht Mexiko als besonderer Raum jüdischer diasporischer Kultur im Fokus, in dem sowohl Aschkenasim als auch Sephardim und arabische Juden eine neue Heimat fanden. Untersucht wird, wie die kulturellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen des Landes die Entwicklung und das Selbstverständnis der Diasporagemeinschaft beeinflussten.

Nicht nur die Binnenverhältnisse innerhalb des CCIM werden ausgelotet, sondern auch dessen Kontakte zu anderen in Mexiko ansässigen Exilgruppen sowie zu jüdischen und nicht-jüdischen nationalen und internationalen Organisationen betrachtet. In diesem Zusammenhang können Interaktionen mit dem Heinrich-Heine-Klub, der Exilzeitschrift Alemania Libre, dem World Jewish Congress oder Bnai Brith genannt werden.

Dabei soll die kulturpolitische Arbeit des CCIM stets sowohl im größeren Rahmen der mexikanischen Kulturgeschichte als auch der global entscheidenen Ereignisse verortet und somit der Werdegang der mexikanischen Judenheiten untersucht werden.


Laurent Quint

L'écho du paradis perdu. Kulturelle und religiöse Identität algerischer Juden in Frankreich.

Die Dissertation untersucht die literarische, philosophische und filmische Auseinandersetzung algerischer Juden mit ihrer Lebenswelt in Frankreich.

«J’ai perdu sept ans de ma vie: deux ans parce que j’étais juif, trois ans parce que j’étais Français, deux ans parce que j’étais Algérien.»
(Georges Hadjadj, algerisch-jüdischer Aktivist bei der PCA)

In der Dissertation wird die literarische und filmische Auseinandersetzung algerischer Juden mit ihrer Lebenswelt in Frankreich untersucht. Im Zentrum stehen einerseits Werke der ersten Generation, also von in Algerien geborenen Juden, die als Zeitzeugen in Erscheinung treten und ihre algerisch-jüdische Lebenswelt von einst evozieren, aber auch ihre Erfahrungen in Frankreich hinsichtlich ihrer Migration und Situation als Minderheit schildern. Demgegenüber stehen Zeugnisse der in Frankreich geborenen Nachkommen algerischer Juden, die sich inhaltlich insbesondere mit ihrer gegenwärtigen Lebenswelt in Frankreich beschäftigen. Ihr algerisch-jüdisches Selbstverständnis stützt sich auf die Traditionen, Bräuche und Erinnerungen ihrer Eltern und Großeltern. Aus einer postkolonialen und transgenerationellen Perspektive werden auf diese Weise die Themen Migration, (hybride) Identität, Exil und Erinnerung durch ein algerisch-jüdisches Prisma beleuchtet.
Der Analysekorpus berücksichtigt Literatur und Medien, die nach der Unabhängigkeit bis in die Gegenwart hinein von algerischen Juden und ihren Nachfahren in Frankreich publiziert wurden, wobei die Mehrzahl der analysierten Kulturprodukte im Zeitfenster der letzten 30 Jahre veröffentlicht wurden.

 


Ellen Rinner

Die Fackel deutsch-jüdischer Geistigkeit “. Der Einfluss jüdischer Kultur und Kulturtheorie auf die Entwicklung von Aby Warburgs Kulturwissenschaft

Der Einfluss des Judentums auf die kulturwissenschaftliche Methode Aby M. Warburgs stellt trotz des ungebrochenen Interesses am Begründer moderner Kultur- und Bildgeschichte nach wie vor ein Forschungsdesiderat dar. Ausgehend von Warburgs Formulierung der „deutsch-jüdischen Geistigkeit“, in deren Tradition er seine Arbeit verortete, untersucht die Dissertation, auf welche Weise jüdische kulturelle Traditionen Eingang in sein Denken und Forschen gefunden haben. Dazu werden die Schriften Warburgs, sein Nachlass und vor allem der Briefwechsel untersucht, um herauszuarbeiten, welchen Niederschlag Warburgs jüdische Sozialisation in seiner wissenschaftlichen Arbeit und der Programmatik der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg gefunden hat. Von besonderem Interesse ist seine Auseinandersetzung mit dem Idolatrieverbot, dessen Spuren sich nicht nur in seiner Methode und ihrem Forschungsgegenstand, dem Nachleben der Antike, finden lassen, sondern auch in seinen Beiträgen zu kulturpolitischen Debatten im Zusammenhang des zunehmenden Nationalismus und Antisemitismus seit der Jahrhundertwende und während des Ersten Weltkriegs.

Ellen Rinner ist Doktorandin am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin Brandenburg und der Humboldt-Universität zu Berlin; Mitglied der Forschungsgruppe „Bilderverbot und Theorie der Kunst“. Sie studierte Kunstgeschichte, Neuere Deutsche Literatur und Philosophie an der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Université Sorbonne in Paris. 2016 schloss sie ihr Magisterstudium mit einer Arbeit zur visuellen Gedächtnispoetik in den Werken von W.G. Sebald und Aby M. Warburg ab. Daneben hat sie an diversen Publikations- und Ausstellungsprojekten zur deutsch-jüdischen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert gearbeitet.

Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Ästhetik, Bildwissenschaft, Kunst- und Kulturtheorie des 20. Jahrhunderts sowie visuelle und performative Gedächtniskulturen.

Seit Mai 2018 promoviert sie bei Prof. Dr. Liliana Feierstein mit einer Arbeit zu jüdischen Dimensionen von Aby M. Warburgs kulturwissenschaftlicher Methode. Seit September 2018 ist sie Doktorandin des Selma Stern Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg am Seminar für Katholische Theologie der Freien Universität und Mitglied der Forschungsgruppe „Bilderverbot und Theorie der Kunst“ unter der Leitung von Dr. Beniamino Fortis. 


Doreen Röseler

„Es ist kein einzig Wort geblieben das nicht im Schmelzofen des Schmerzes verbrannte.“* 

Trauma, Sprache und Übersetzung in den Werken von  Aharon Appelfeld und deren Rezeption in Deutschland

Das Dissertationsprojekt bezieht sich auf die siebzehn in die deutsche Sprache übersetzten Werke des Autors und deren Rezeption in Deutschland. Die Werkanalyse reflektiert die Transformationsprozesse der traumatischen Verlust- und Verfolgungserfahrungen während der Shoah und deren sprachlicher Symbolisierung unter Berücksichtigung des Spannungsverhältnisses der deutschen und hebräischen Sprache. Dies schließt den Translationsprozess und die Rolle des Übersetzers mit ein, da durch die „Rückübersetzung“ in die deutsche (Appelfelds Mutter-) Sprache, dem Leser in Deutschland ein Perspektivwechsel sowie ein Zugang zu den kollektiven Erinnerungen seitens der Opfer und eine emotionale Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit über mehrere Generationen hinweg ermöglicht wird.

 *„Der Mann, der nicht aufhörte zu schlafen“, Aharon Appelfeld, 2012

Kontakt: droeseler@zedat.fu-berlin.de

 


Norman Salusa

Eine Generation von Helden und Zeugen – Erfahrungen jüdischer Rotarmisten während des II. Weltkriegs

Doktorand am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg, Humboldt-Universität zu Berlin

Norman Salusa geht in seinem Promotionsprojekt der Frage nach, wie die Erlebnisse antisemitischer Gewalt von Juden und Jüdinnen in der Roten Armee während des II. Weltkrieges die Zugehörigkeitsvorstellungen geprägt und verwandelt haben. Damit zusammen hängt die vermittelte wie unvermittelte Erfahrung, Augenzeuge der Massenvernichtung der jüdischen Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten geworden zu sein und nun das Erlebte in Briefen und Tagebüchern dokumentieren, verbreiten und für die Zukunft bewahren zu wollen. Darüber hinaus stellen sich weitere Fragen bezüglich der Tradition eines historischen Erfahrungsraums, der mit Juden und Militär umrissen werden kann. Der Inhalt dieses Diskurses über Krieg und Judentum kann in den Artikeln der Militärzeitung Roter Stern oder der jiddischsprachigen Eynikayt nachvollzogen werden, auf deren Seiten zum einen ein „neuer Jude“ als heldenhafter, mutiger und patriotischer Kämpfer eine gesonderte Rolle spielte und zum anderen die Auseinandersetzung mit der jüdischen Katastrophe in den deutschbesetzten Gebieten. Somit lassen sich die Vorstellungen jüdischer Zugehörigkeit, die zwischen der Intelligencija und einfachen Soldaten genauso wie der vorrevolutionären und postrevolutionären Generation zirkulierten, anhand des Dialogs zwischen Egodokumenten und Printmedien rekonstruieren. Hier spiegeln sich die Transformation der Nähe-Distanz Beziehung zwischen Sowjetstaat und jüdischer Minderheit wieder, die sich in Vermittlerfiguren wie dem Schriftsteller Ilja Ehrenburg, der während des Krieges hunderte von Briefen erhielt, kristallisiert.